Tanz auf der Kante eines Blattes Papier

Dr. Sophie Gerlach
Ein Vorhang, in dem ein leichter Luftzug spielt und die Zartheit des Stoffes noch besser zum Vorschein bringt, ein milder Schimmer, der sanft über allem liegt und dann ein metallisch blitzendes Skalpell – willkommen in der Welt von Edite Grinberga!

Das Skalpell schneidet; wir bleiben an ihm mit einer Faser unserer Gedanken hängen und es schneidet sie entzwei.

Edite Grinbergas Bilder haben eine Schärfe, die umso heftiger ist, als dass sie in sanftem Gewand gekleidet daher kommt und genau im Moment in dem die Gedanken beginnen herumzutollen, wird dem Betrachter klar, dass es so einfach nicht ist – gefunden wird eine Blaupause des Lebens.

In diesen gemalten Momenten, die einem kurzen Hauch eine Form der Ewigkeit geben, komprimiert die Malerin auf hintergründige Art Bilder, die für mehr stehen als nur das vordergründig Sichtbare.

Nicht um die Malerei an sich geht es, sondern um das Bannen eines Gefühls, eines gelebten Momentes, der unser Leben prägt. Doch wie ihn wiederbringen, mit all seiner Komplexität, seiner Widersprüchlichkeit, seiner Schönheit, die den Verlust schon in sich birgt? Indem Farbe, Pinsel und Leinwand auf ebenso komplexe Weise in den Dienst dieser Abbildung genommen werden. So wird das scheinbar Ephemere von der Künstlerin minutiös geplant, inszeniert und ausgeführt.

So wie Edite Grinberga sich immer wieder selbst herausfordert weiter voran zu gehen, noch genauer zu malen, den flüchtigen Augenblick noch eindringlicher zu bannen, so fordert sie auch den Betrachter heraus – und seine Emotionen. Auf subtile und manchmal auch ironische Weise lockt sie so aus sich selbst und dem Betrachter Verborgenes hervor, dem man sich nicht entziehen kann. Schwingungen, die jeder in sich trägt, werden hier von bildlichen Momenten zum klingen gebracht. Doch Vorsicht ist geboten, denn man mag sich vor einem Bild in der Leichtigkeit der gemalten Stoffe und in einem Nachklang von Leidenschaft verlieren und im nächsten von der Verlassenheit angestarrt werden, deren kühler Miene man auch schon einmal im wahren Leben Guten Tag sagen musste. Das Skalpell ist das Ende der Illusion, der Pass das Inbild des Verrinnens einer Reisezeit, die unwiederbringlich abläuft, der Boxsack ist Zeuge eines wilden Zorns, der verraucht ist und von dem nur noch eine Müdigkeit zurück geblieben ist, die schon den neuen Anfang in sich birgt.

Die faszinierende Technik, welche die Malerin immer weiter perfektioniert – der Betrachter mag kaum einen Pinselstrich auf der Leinwand ausfindig machen, erlaubt den Seiltanz zwischen Traum und Realität, schafft die Verbindung zu unserem Inneren. Denn auch wir träumen meist in Bildern und die Emotionen, die sie hervorrufen sind mitunter sogar hyperreal, aber das sind Edite Grinbergas Bilder nicht und das wollen sie auch nicht sein. Sondern es geht um den Balanceakt Ewiges in flüchtigen Szenerien zu erkennen und zu binden und umgekehrt.

Das Licht ist Edite Grinberga dabei ein äußerst gut ausgebildeter Assistent, denn es ist immer ein natürliches. In mitunter endlosen Sitzungen fängt sie es ein, um es dann in einer noch intensiveren Abbildung mit ihrer künstlerischen Welt verschmelzen zu lassen. Die Transluzenz ihrer Bilder scheint sogar die Wände atmen zu lassen.

In diesen kühlen Ensembles ist doch immer Bewegung, immer Leben zu sehen. Durch das nicht-Darstellen unterstreicht die Künstlerin die vergangene Präsenz der Menschen und ihr Wirken – nämlich das Innere, das hier im Essentiellen verdinglicht ist.

Und so wirken diese Szenen wie Standbilder aus dem Tanz des Lebens, der mitunter in den schönsten Momenten auf der scharfen Kante eines Papierblattes stattfindet.

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